Hallo zusammen,

heute poste ich einen kleinen Auszug aus dem Manual meiness Seminars im Mai. das Thema des Seminars ist es, die eigene Form zu finden und ich greife euch den Abschnitt

Neugier und Bindung heraus.

Viel Freude und Erkenntnis beim Lesen.

Wie immer, wenn Fragen auftauchen, bemühe ich mich gerne sie zu beantworten.

Neugier und Bindung

 

Ich möchte mit euch zwei Begriffe klären, die meines Erachtens wichtig sind, um die ersten Schritte unserer Formung zu verstehen.

Neugier und Bindung.

Ich hätte in diesem Abschnitt statt von Neugier auch von Autonomie, Freiheit, oder Selbstermächtigung sprechen können, doch für mich lenkt der Blick auf die Neugier so sehr den Fokus auf unsere Entwicklungsmöglichkeiten, auf unser Potential, auf das Mögliche in uns.

Und statt von Bindung könnte ich von Dazugehörigkeit, eins sein, verbunden sein oder ähnlichem sprechen. Doch Bindung ist, wie vielleicht im Folgenden deutlich wird die Wurzel all dieser Zustände.

Und so habe ich sowohl die Wurzel, als auch die Möglichkeit als Thema gewählt.

Für mich ist Neugier eine so wichtige, lebendige und menschliche Qualität, dass es gut ist, sie genauer zu betrachten.

 

Wir Menschen werden neugierig geboren. Schon während der Schwangerschaft, also im Mutterleib, lässt sich feststellen, dass wir Menschen neugierig sind. Wir wenden uns Geräuschen zu, die wir interessant finden, wenden uns dem Licht zu, welches sich angenehm anfühlt, lehnen Dinge ab, die unangenehm oder zu viel sind für uns.

Wir kommen auf die Welt als Lernende. Lernen ist in unserer Biologie angelegt und um lernen zu können braucht es unter anderem die Neugier, das wissen und erfahren wollen.

 

Ein zweiter Aspekt, der durch und durch menschlich ist, und den wir schon einige Male im Fokus hatten, ist die Bindung.

Wir Menschen sind nicht nur neugierig, sondern durch und durch bindungsorientiert.

Ein Mensch, der sich sicher fühlt, hat die Möglichkeit frei zu explorieren. Je sicherer ich mich fühle, desto freier kann ich neugierig sein.

Verständlich?

Eine Entdeckungstour startet immer auf bekanntem Terrain. Geborgenheit und ein Ort, an den ich zurückkehren kann, ist wesentliche Voraussetzung für die Freude am Entdecken.

Es bedeutet auch, dass die Bezugsperson dem Kind eigene Erfahrungen zubilligt und sie nicht aus Angst unterbindet oder besserwisserisch lenkt. Die Bezugsperson muss auch aushalten können, dass nicht alles gelingt und manche Erfahrungen schmerzhaft sind. Die Bezugsperson musss aushalten, dass das Kind Herausforderungen annimmt, die evtl. nicht gelingen. Auch das gehört zum Lernen.

Und somit ist es ein ständiger Balanceakt, zwischen dem Suchen nach Nähe und dem Wunsch Neues zu entdecken.

Hier wird vielleicht deutlich, dass das Maß an Sicherheit das ich erfahren habe, eine Auswirkung darauf hat, wie ich die Welt erkunden kann. oder anders ausgedrückt, ist es entscheidend für mein Sein in der Welt, wieviel Sicherheit, Nähe, Wertschätzung, und Gesehen werden ich erfahren durfte.

Es ist entscheidend, dass, wenn ich von meinen kindlichen Abenteuern zurückkehre und ein warmes Nest finde, welches an mir interessiert ist und mich willkommen heißt.

Das Bindungssystem eines jeden Kindes wird aktiviert durch jede Form von Unwohlsein, sei es Hunger, Durst, Müdigkeit, Angst, Fremdheit oder auch Überreizung oder auch Unterforderung und irgendwann (schon ab dem 2. Lebensjahr) auch das Bedürfnis nach Autonomie.

Das Kind ist in seiner natürlichen Abhängigkeit darauf angewiesen, dass diese Bedürfnisse erkannt und beantwortet werden.

Das bedeutet auch, dass die Bindungsperson in der Lage sein muss, zu lesen, was das Kind zeigt.

Das bedeutet, die Bedürfnisse und Impulse des Kindes hinter den einzelnen Signalen erkennen und nicht stereotyp immer mit dem gleichen zu reagieren, zum Beispiel mit füttern, oder die Signale genervt ganz zu ignorieren, weil die Bezugsperson nicht in der Lage ist, die Zeichen zu lesen. (Gestik, Mimik, Stimme, Zu – oder Abgewandtheit, Signale von Stress, Angst oder auch Müdigkeit…)

Dies führt zu Frust auf beiden Seiten und belastet die Bindung. Das Kind lernt eventuell, dass seine Bedürfnisse keine Berechtigung haben, oder unwichtig sind, oder das ist immer nur eine Antwort, wie zum Beispiel Essen auf alle Bedürfnisse gibt.
Zurück zur Neugier. Die Neugier steht also immer in einem Spannungsfeld zwischen Exploration und Sicherheitsbedürfnis.

Das bedeutet, dass es möglich sein muss, dehnbare Grenzen zu erschaffen, in denen es möglich ist, Neues zu erkunden, ohne die sichere Basis zu verlieren.

 

Sicherheit ist der Nährboden für Neugier.

 

Je sicherer gebunden ein Kind ist, desto freier kann es den Weg ins Leben wählen. Kinder spüren die Sicherheit und die Co-Regulationsfähigkeit im Gegenüber z.B. durch die Stimme, Gelassenheit, Interesse, Wärme, Aufmerksamkeit und Großzügigkeit.

 

Wenn ich als Kind nicht erfahren habe, dass es in Ordnung ist, neugierig zu sein und die Welt auf meine ganz eigene Art zu erforschen, fällt es auch schwer, als Erwachsener sich frei dem zuzuwenden, was mich interessiert, oder dem, was mir Sinn gebend erscheint. Wenn ich als Kind nicht erlebt habe, dass es völlig in Ordnung ist, eine eigene Sicht auf die Welt zu entwickeln, dann wird es auch als Erwachsener schwer aus der Angepasstheit auszusteigen und sich zu trauen, sich mit dem was meine innere Welt ausmacht zu zeigen. Es wird schwer, den eigenen Weg zu entwickeln.

 

Damit ein Selbst entstehen kann, brauchen wir die Freiheit zu erkunden und gleichzeitig ein lebendigen, physisch anwesenden, sich selbst reflektierenden und reguliertem Menschen, der in einem dynamischen Wechselspiel uns begleitet, spiegelt, reguliert, fordert und in Sicherheit bringt. Wir brauchen ein Gegenüber, damit wir durch Spiegelung und Resonanz ein Bild von uns selbst entwickeln können.

 

Vielen Dank für Deine Aufmerksamket, Chris