In Balance

 

In Balance zu sein hört sich wunderbar an, doch was meint das überhaupt?
Um uns dem Thema anzunähern, können wir es von verschiedenen Seiten betrachten.
In Balance sein kann ganz unterschiedliche Ebenen unseres Seins betreffen. Die körperliche, die emotionale, die gedankliche oder auch die Ebene der Beziehungen. Natürlich hängen alle Ebenen, wie wir mittlerweile wissen, miteinander zusammen, doch manchmal ist es so, dass ich die eine oder andere Ebene eher erreiche oder ich auch auf einer besonderen Ebene einen besonderen Bedarf verspüre.
Die Balance bezieht sich auf die Intensität, die Dauer, die Häufigkeit und auch die Anstrengung. In vielerlei Hinsicht geht es darum herauszufinden, was mir wohl tut. Und das ist gar nicht so leicht.

Ein Hinweis darauf, ob mich etwas in Balance bringt oder mir gut tut, kann sein, dass ich spüre, dass ich entweder schon während einer Aktivität oder auch danach so etwas wie Regulation, so etwas wie eine gute Nähe zu mir selbst zu erfahren.
Deshalb möchte ich hier an dieser Stelle einmal von der Regulierung des Nervensystems sprechen und davon, was es braucht, um das Nervensystem gut zu regulieren.
Die Regulierung oder auch Balancierung meines Nervensystems ist natürlich keine einfache und eindimensionale Angelegenheit, doch an dieser Stelle gehe ich einmal auf ein paar wenige Punkte ein, die nach meiner Erfahrung hierfür essentiell sind.

Doch vorab erst einmal: Warum ist denn ein Leben in Balance so erstrebenswert?

Hierauf gibt es meiner Meinung nach eine ganz simple Antwort.
Wenn ich in Balance bin, gelingt es mir auf gute Art und Weise bei mir zu sein. Bei mir, ohne mich hinter einer Fassade zu verstecken, ohne das Gefühl zu haben, etwas tun zu müssen, jemand anderes sein zu müssen, sondern ich einfach so sein darf, wie ich bin und ich in der Lage bin, mich mit mir selbst sicher und geborgen zu fühlen, in gutem Kontakt mit meinen Bedürfnissen und Impulsen.
Und nicht zuletzt bedeutet es, dass ich in der Lage bin, in Beziehung zu sein, ohne mich dabei zu verlassen.
Wenn wir von Balance sprechen, gibt es zwei verschiedene Aspekte, die wir unterscheiden können und sollten. Das Äußere, die Welt und die Menschen, die uns umgeben und das Innere, meine Welt in mir.

Beginnen wir mit dem, was innen stattfindet.

In unserem Alltag tun wir unglaublich viel, um uns von uns selbst abzulenken. Nicht nur, dass wir mit unserem alltäglichen Tun beschäftigt sind, sondern hinzu kommt auch noch die Beschäftigung mit den sozialen Medien oder der Medienkonsum generell. Wir lassen uns verschlucken von einer Realität, die nicht unsere ist und vergessen dabei uns selbst. Wenn ich jetzt also nach innen, oder vielleicht besser noch zu mir selbst schaue, worauf kommt es an, um in Balance zu sein?
Der allererste und wichtigste Punkt ist präsent zu sein. Was bedeutet das?
Ich denke, dass dieser Begriff den meisten von euch sehr vertraut sein wird, denn er bedeutet an sich nichts anderes, als im Hier und Jetzt, im Augenblick zu sein. Und zwar mit meinem ganzen Bewusstsein, mit meinem Körper und meinen Emotionen. Das ist manchmal/oft gar nicht so leicht und wir haben aus der Sicht unseres Nervensystems, welches uns in Gefahr wähnt, gute Gründe, uns selbst nicht in die Aufmerksamkeit zu nehmen.

Diese Gründe können sein, dass ich die Umgebung, die Menschen in meinem Umfeld im Blick haben muss, weil sie eine Gefahr für mich bedeuten, so dass kaum mehr Raum für Aufmerksamkeit für mich selbst bleibt, oder mein eigener Körper und seine Befindlichkeiten mich erschrecken, so dass ich ihn lieber nicht spüre. Doch wenn ich das nicht tue, fühlt sich alles getrennt von mir an, ich finde in mir selbst keinen Bezugspunkt, keine Wertebasis, auf die ich mich beziehen kann. So wird vielleicht ein wenig deutlich, dass es eine wirklich große Aufgabe ist, sich im gegenwärtigen Moment wahrzunehmen, oder das Maß auszuloten, das für mich verträglich ist. Also auch hier eine Balance zu finden und mich nicht zu überfordern. Ich kann einmal versuchen herauszufinden, welche Ebene für mich leichter zu erreichen ist, die Ebene der Gefühle, des Körpers oder der Gedanken? Und eventuell kann ich in dieser Ebene einen Anker finden, um mich langsam den anderen Ebenen anzunähern.

Hierzu ein kleines Beispiel, um verständlicher zu machen, was ich meine. Wenn ich z.B. in der Welt meiner Gedanken sehr zu Hause bin, könnte ich in einer kleinen Übung probieren, wohltuende und wertvolle Gedanken für mich zu finden und ganz vorsichtig hinüberzuspüren, was das mit meinen Gefühlen und mit meinem Körper macht.

Dies kann tatsächlich ein langer Übungsweg sein. Wir sind nicht selten aus gutem Grund so ablenkbar und fern von uns und wir dürfen uns Zeit nehmen und wohlwollend sein, wenn wir uns uns wieder annähern möchten. Und wir sollten uns erlauben, die kleinsten Momente, in denen das gelingt, zu achten, zu ehren und zu feiern. Damit sie einen Platz in unserem Bewusstsein finden und wachsen dürfen. Eventuell beginnt deine Reise mit einem einzigen bewussten Atemzug und wenn dir das gelingt und du nicht fliehen musst, dann erkenne diesen ersten Schritt an. Benutze deine Sinne, um dich zu orientieren und zu verankern. Beginne achtsam deinen Körper wahrzunehmen, mit all dem, was er dir zeigen möchte. Eventuell drängen sich Schmerzen und Unwohlsein immer wieder in die Aufmerksamkeit und es ist wichtig, sie zu spüren. Doch du darfst dir auch erlauben zu schauen, ob es in deinem Körper Orte gibt, an denen du dich wohl fühlst, wo Ruhe, Wärme und Geborgenheit zu finden ist.

Finde deinen eigenen Rhythmus, sowohl in der Tagesroutine als auch in der körperlichen Anstrengung und in deinem Bedürfnis nach Ruhe und Kontakt. Dies kann manchmal auch ganz schön schwierig sein, und wir fühlen uns den täglichen Gegebenheiten ausgeliefert. Manchmal widerstrebt es uns auch, weitere Strukturen zu schaffen, wo wir doch das Gefühl haben, schon in Strukturen, die von außen kommen, eingepfercht zu sein. Doch hier geht es um etwas anderes, es geht darum, Raum zu schaffen für ein Leben, das dir entspricht.

Wenden wir uns jetzt dem Außen zu.

Und damit meine ich in erster Linie unsere Beziehungen. Unsere Beziehung sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Wir sind zutiefst soziale Wesen und brauchen einander, um uns sicher und geborgen zu fühlen und gleichzeitig kann der Kontakt zu anderen Menschen sich so gefährlich und bedrängend anfühlen. Auch hier geht es darum, eine gesunde Balance zu finden und herauszufinden, wie viel Kontakt mir guttut und welche Menschen mir guttun. Wo sind meine Grenzen? Und wie weit mag ich mich öffnen? Wie viel mag ich geben und wie viel nehmen? Ein wirklich schwieriges Thema.

Osho hat einmal gesagt: „Relationship is the Mastership“, und ich bin geneigt, ihm zuzustimmen.

Wenn wir in unserem Leben so etwas wie Unsicherheit spüren, ist der erste gesunde Reflex, den wir haben, dass wir auf Bindungssuche gehen. Es ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass die soziale Interaktion ein sehr wesentlicher Faktor für einen gesunden Gehirnstoffwechsel ist.

Auch wenn wir früh in unserem Leben die Erfahrung gemacht haben, dass Menschen gefährlich sind und Rückzug eine früh gelernte Strategie ist, sind wir nicht für das Alleinesein gemacht.

Das bedeutet, dass wir, um in Balance zu sein, den Anderen brauchen. Eine vielleicht etwas verwirrende, aber vielleicht auch sehr gut verständliche Erkenntnis. Heutzutage flüchten wir uns oft in die Interaktion über die sogenannten sozialen Medien. Doch dieser Kontakt ist nicht mit einem realen Kontakt, den wir mit all unseren Sinnen, auf allen Ebenen erleben können, zu vergleichen, er ist etwas völlig anderes für unser Nervensystem. Er erreicht vielleicht unser Belohnungszentrum, aber eher selten unser Bindungssystem.

Was auch immer du brauchst, um in Balance zu sein, du wirst um die Wahrnehmung deiner selbst nicht herumkommen, auch wenn das schon Teil des Problems ist. Du allein bist der Indikator für das, was wohltuend und angemessen für dich ist.

Apropos angemessen, das rechte Maß für Ruhe, Kontakt, Spiel, Gemeinschaft, Rückzug, Anstrengung, Entspannung, Essen und so weiter zu finden, ist gar nicht so leicht, für mein Ermessen sogar eine Lebensaufgabe. Doch je besser wir uns kennen und je mehr wohltuende Rituale wir in unser Leben einfließen lassen, desto leichter wird es zu erkennen, was uns guttut. Hilfreich zu erkennen ist, dass in Balance zu sein ein dynamischer Prozess ist, der nicht irgendwann erfolgreich gemeistert ist, sondern etwas, das immer wieder einer lebendigen Anpassung bedarf, um angemessen und haltgebend zu sein. Was fördert mein In-Balance-Sein? 

– Ruhephasen, in denen ich nichts leisten muss

– Ein Ausgleich zwischen Bewegung und Ruhe

– Wohltuende Beziehungen – Gelegenheiten schaffen, die mich inspirieren

– Teilhabe 

– Ich könnte hier eine Menge aufzählen und ich bin mir sicher, dass dir auch einiges dazu einfällt. Vielleicht ist dieser Artikel deine Inspiration, um eine Kleinigkeit für dein Wohlergehen, deine Balance umzusetzen.

Viel Freude und wohltuende Erfahrungen beim Üben. Wenn Du magst, lasse gerne einen Kommentar da.

Vielen Dank für Deine Aufmerksamket, Chris