Jetzt ist es Herbst.

Der Himmel vor dem Fenster ist grau und vom Regen schwer. Was für ein großes Glück ist es, im Wohnzimmer zu sitzen, vor dem Ofen, in dem ein Feuer brennt und Zeit zu haben, sich sich selbst und der Welt zu widmen.

Draußen fällt gleichmäßig Regen in leicht schrägen Schnüren und gibt dem Bild, welches sich zeigt, etwas Gestricheltes. Und gerade durch diese Strichelung, wirkt die Welt ein wenig entrückt und unwirklich.

Mich entspannt das, denn so kann ich beschützt drinnen bleiben und Zeit mit mir selbst verbringen. Es ist wunderbar, sich sinken lassen zu können, ohne dass etwas an mir zehrt. Ein Moment zum Luftholen und verweilen, eventuell ist sogar Zeit sich zu lang-weilen.

 

Das sichtbare Leben tritt zurück. Das Blühende und das Strotzende verschwindet und macht einer gewissen Durchsichtigkeit Platz, blank gewaschen vom Regen.
Eine unglaublich gute Zeit, um zu ernten und in dieser gewissen Übersichtlichkeit neue Visionen zu entwickeln.
Ich mag die Wärme, ich mag es barfuß zu gehen, ich mag es mich nicht bis zur Unkenntlichkeit vermummeln zu müssen.

Und doch hat diese Zeit, in der der Sommer endgültig seinen Rückzug angetreten hat, etwas Stilles und Beruhigendes. Ich habe den Eindruck, draußen nicht mehr so viel zu verpassen und kann mich entspannt mir selbst zu wenden.
Und wenn diese Ruhe eintritt, macht es mir eine unglaubliche Freude, den Samen für neue Projekte zu sähen. Diese gestrichelte Welt dort draußen gibt mir das Gefühl, dass das alles gar nicht eilt, Zeit hat, sich erst im unsichtbaren entwickeln darf, bevor es dann irgendwann, noch nicht jetzt, keimen darf.
Im Herbst ist die Ahnung von Unendlichkeit viel intensiver zu spüren, als im Frühling oder Sommer, in denen eine Blütenperiode die andere ablöst, das Auge kaum der Farben- und Formenpracht hinterher eilen kann und das wachsen und werden in eine unglaubliche Fruchtbarkeit mündet.

Doch im Herbst scheint alles zur Ruhe zu kommen, eine Pause im Wachsen und Werden. Wie ein langer Ausatem, ohne den Drang, gleich wieder einatmen zu müssen.
Im Herbst fühle ich mich immer mit einem Teil meines Herzens in der Vergangenheit, in dem besiegten Sommer, und einem in der Zukunft, der zu erwartenden Kälte des Winters. Und gerade die besondere Zeit des Herbstes macht es möglich, sich dabei nicht zerrissen zu fühlen, sondern sich der Gegenwart zu ergeben, sich ins Sofa zu kuscheln und sich dem Sein hinzugeben.

So betrachtet, kann ich mich tatsächlich mit dem Herbst anfreunden. Zumal ich ja weiß, dass der nächste Frühling kommt.
Ich wünsche euch allen, trotz der Unruhe da draußen, einen wundervollen Herbst. Ich wünsche euch, dass ihr Zeit findet, gut bei euch zu sein. Ich wünsche euch, dass ihr die Gelegenheit wahrnehmt, Tee zu trinken mit der Familie und mit guten Freunden, oder wen auch immer ihr mögt.

Herzensgrüße Chris