Das Ziel ist im Weg

Ein Plädoyer für sich selbst und gegen ständige Selbstoptimierung.

Wir leben in Zeiten, in denen wir sehr viel Aufmerksamkeit und Zeit unserer Selbstoptimierungen  widmen.

Wenn wir uns schon einmal gestatten, uns mit uns selber zu beschäftigen, tun wir  das oft, um uns selbst zu optimieren. Der Kontakt zu uns selbst ist also oft ein fordernder. Meistens sind wir ein paar Kilo zu viel, etwas mehr Leistung, eine unerledigte Aufgabe, oder eine kleinere Nase, von unserem Glück entfernt.

So gerät uns das Leben zu Challenge, in dem es Gewinner und Verlierer gibt. Und wir sitzen mitten dazwischen, oft genug überfordert und unzufrieden. Selbst Themen wie Meditation, Achtsamkeit, Yoga dienen dem Zweck, besser zu werden. Es ist immer eine Orientierung aus dem:  ich bin noch nicht gut genug, hinzu: so möchte ich sein, dann geht es mir gut, Dann mag ich mich, dann habe ich Erfolg.

Selbst wenn Begriffe benutzt werden, wie Work-Life-Balance, Resilienz, steht oft die Forderung dahinter, sich von dem Status Quo hin zu entwickeln zu einem besseren, idealeren Selbst. Ein Selbst, dass man präsentieren kann, für dass wir uns die Anerkennung in mühsamer Anstrengung erworben haben.

Eventuell spürst du schon, während du diese Worte liest, dass es in dieser Anforderung nach Verbesserung nicht wirklich um dich geht, sondern darum, das Bild, das du von dir erschaffst willst zu optimieren. Ich möchte damit nicht sagen, dass es nicht gut ist zu meditieren, Sport zu treiben, sich gesund zu ernähren, oder sich um Achtsamkeitstechniken zu bemühen. Um Dinge zu finden, die mir gut tun, muss ich in Bewegung kommen, oder eventuell auch einfach mal still sitzen bleiben. Doch ich sollte mir erlauben, meine Motivation genau anzuschauen. Warum tue ich das? Tut es mir gut? Was ist mein Ziel? Oder unterstützt es mich nur dabei, ein Selbst zu entwerfen, das mir besser gefällt?

Wenn ich mich als jemanden begreife, der verbessert werden muss, ist dies eine Aufgabe, die Anstrengung bedarf. Diese Anstrengung dient in der Regel der äußeren Form und nicht dem Sein. Natürlich kann das Spaß machen, doch wenn es zum Druck wird, einem wie auch immer gearteten Bild zu entsprechen dann kann das problematisch sein.

Wie viel schöner wäre es, sich auf dem Weg zu machen und herauszufinden, was ich denn wirklich brauche. Und dabei mich selbst in das Zentrum des Interesses zu rücken und mir Zeit zu nehmen, herauszufinden, was ich mir wirklich wünsche.

Was wäre, wenn ich vollkommen in Ordnung bin, so wie ich bin, mit allen Ecken und Kanten, mit meinen Narben und Lücken? Was wäre wenn ich mich mögen oder sogar lieben dürfte, ohne dafür etwas zu verändern?

Verwegene Vorstellung!

Sich hinzusetzen, zur Ruhe zu kommen, ohne den Anspruch zu haben, dass das Meditation sein muss, und mir erlauben in mich hinein zu spüren, um herauszufinden, wonach meine Seele ruft. Oder noch nicht mal das, sondern sich einen Moment der Ruhe gönnen, ohne etwas zu wollen. (Wie schon Loriot sagte: „ Ich will hier einfach nur sitzen.“ ;-))

Sich erlauben, sich eine Weile abzuwenden, von dem Anspruch, wie du sein solltest und sich hinzuwenden, zu dem wunderbaren Menschen, der du bist.

Sich selbst zu optimieren, ist etwas, was ich machen kann. Sich selbst anzunähern ist etwas, das ich nicht machen kann. Das ist keine Entscheidung meines Kopfes, meiner Muskeln, meiner Bildung oder meines Geldes. Natürlich kann ich günstige Bedingungen schaffen, die mir diese Begegnung mit mir erleichtern. Doch letztendlich ist die Begegnung mit mir selbst eine Erfahrung und nicht etwas, was ich bewerkstelligen kann. Die Begegnung mit mir selbst, mit dem, was mich ausmacht, kann ich nicht trainieren. Das ist etwas, was mehr mit Zulassen als mit Tun im Zusammenhang steht. Mehr mit Hingabe, als mit Anstrengung, mehr mit Neugier und Forschergeist, als mit so sollte ich sein. Doch dies kann tatsächlich eine sinnvolle Suche sein

Eine Erfahrung, der ich mich öffnen kann, um Schätze zu finden.

Manchmal macht es Angst oder fällt es uns schwer, uns dieser Erfahrung zu öffnen. Und dann ist es schön, jemanden an der Seite zu wissen, der mich begleitet in das unbekannte und weite Land meiner Seele. Sprich mit jemandem darüber, dem/der du vertraust.

Manchmal braucht es Mut aus dem Druck, der von außen an uns herangetragen wird, oder den wir uns zu eigen gemacht haben, weil uns suggeriert wurde, dass wir so wie wir sind nicht gut genug sind, auszusteigen und sich dem zuzuwenden, was uns wirklich erfüllt. Doch es lohnt sich, zu erkennen, was wirklich gut für mich ist.