Schweigen

Fast jede von uns kennt das Sprichwort:

„Reden ist Silber und Schweigen ist Gold.“

 

Ich möchte dich nun einmal bitten, dir einen Moment Zeit zu nehmen und zu reflektieren, wie dieses Zitat auf dich wirkt.

Nimm wahr, welche Gedanken auftauchen, welche Gefühle, wie sich dein Körper anspürt und welche inneren Diskussionen stattfinden?

Nimm Dir Zeit und lasst uns, nachdem ich ein paar Gedanken über das Schweigen geteilt habe einmal zu diesem Zitat zurückkommen.

Wenn das für dich okay ist, bewahre solange deinen Eindruck zu diesem Zitat.

Veränderung

In der Vorbereitung auf dieses komplexe Thema, habe ich mir einige Zitate zum Thema Schweigen angelesen und habe mir einige notiert. Ich bin mir sicher, auch du kennst einige.

Interessanterweise gibt es sehr viel mehr positiv formulierte Zitate zum Thema Schweigen, als zum Thema Reden. Dies ist natürlich eine subjektive Erfahrung, die du gerne einmal auch für dich erforschen kannst.

 

Zu schweigen, aus freien Stücken, oder weil du „bei Zeiten“ zum Schweigen gebracht wurdest, ist ein großes und wichtiges Thema.

Für meinen Empfinden gibt es sowohl konstruktive als auch destruktive Aspekte des Schweigens. Sowohl als Schweigende/r als auch als Beschwiegene/r.

Die Intention des Schweigens spielt eine wesentliche Rolle. Und auch ob das Schweigen mit dem Innersten verbunden ist, also selbst gewählt wurde und wird, oder aus einer Angst, Scham, einer falsch verstandenen Loyalität oder Rage heraus entsteht.

Also ob es ein Schweigen ist, das gefüllt ist mit Dasein, selbst ermächtigt, oder eine Sprachlosigkeit oder Bestrafung, welches eher Ausdruck einer Verletzung ist.

Oft spielt auch der Kontext eine große Rolle, der Kontext, in dem sich Menschen entscheiden zu schweigen.

 

Wie wir das Schweigen empfinden, hat ganz viel damit zu tun, wie wir das Schweigen in unserem Leben bisher empfunden haben. Wie es uns vorgelebt wurde, in welchen Situation und Kontexten es auf welche Art und Weise benutzt wurde.

Ein Schweigen kann voller Gefühl, voller Gegenwärtigkeit sein, aber auch voller Kälte und Ignoranz.

Es kann eine Annäherung an uns oder eine Waffe gegen uns sein.

Es kann Raum geben oder sich haltlos anfühlen.

Es kann angenehm und warm oder unangenehm sein.

Es kann den Anfang oder das Ende von etwas markieren.

Es kann lastend schwer sein oder eine warme Leichtigkeit besitzen.

Es kann Staunen oder Entsetzen ausdrücken.

Es kann einladend sein oder ausgrenzen.

Es kann neugierig machen oder vernichten.

Es kann über Generationen hinweg weitergegeben werden und damit die Dinge im Verborgenen halten, oder es kann gebrochen werden, entgegen aller Versprechungen.

 

Das Schweigen zu brechen braucht evtl. großen Mut. Und kann dann eine große Entdeckung sein die Stimme zu erheben und in der Folge eine Befreiung von alten nicht freiwillig gegebenen Schwüren. Doch das kann ein Prozess sein, der evtl. auch Unterstützung braucht.

Die Ursache des Schweigens kann eine Form von Unterdrückung sein, die gespeist wird von Angst oder Scham oder beidem.

Eventuell geht dem Schweigen auch die Erfahrung voraus, dass Worte eh nichts nützen, dass wir nicht gehört werden. Und wenn ja, doch nicht verstanden werden. Manchmal sind die eigenen Worte sogar unerwünscht, und es wird signalisiert, dass man besser zu schweigen hätte, das reden unerwünscht sei, oder die eigenen Worte unwichtig oder sogar falsch seien.

Und wie ist das, wenn die eigenen Fragen immer wieder unbeantwortet bleiben und unser Hören keine Nahrung findet?

Vielleicht hast Du auch Angst, dass das was Du sagst furchtbare Konsequenzen hat, oder das, was du zu sagen hättest unangemessen, oder übertrieben ist?

 

Toxisches Schweigen, oder sogenanntes „silent treatment“ ist immer ein Vorgehen, dass die Seele verletzt und damit emotional gewalttätig ist. Und das schwierige ist, dass Schweigen eine stille Gewalt ist, eine Gewalt die im „Nicht-Ausdruck“ ihre Macht entfaltet und somit so schwer zu greifen ist und den Betroffenen in Einsamkeit zurücklässt.

Dieser Schmerz kann so groß werden, dass sogar eine beleidigende Antwort, Sarkasmus oder Abwertung das Bedürfnis wahrgenommen zu werden, befriedigt.

 

Nachdem ich hier nun einige Aspekte des Schweigens erwähnt habe wird deutlich, dass Schweigen ein unglaublich komplexes Thema ist und sowohl lichtvolle als auch dunkle Seiten besitzt.

Oft ist es wichtig, den Kontext und die eigene Betroffenheit zu verstehen, aus dem heraus jemand schweigt, oder beschwiegen wird. Es erscheint mir wesentlich, das Schweigen zu schmecken und zu fühlen (wenn das überfordernd ist, gehe nicht alleine auf Forschungsreise, sondern suche dir einen sicheren Menschen, der dich begleitet und mit dir den Raum hält). Und es erscheint mir auch wichtig, mir über mein eigenes Verhältnis zum Schweigen klar zu werden.

Hier ein paar Reflexionsfragen:

  • Was bedeutet Schweigen für dich?
  • Fühlst du dich mit deinem Schweigen wohl und was passiert dabei in dir?
  • Wie ist es für dich, wenn im Gespräch eine Pause eintritt, wenn mir mein Gegenüber nicht sofort antwortet, oder sich sogar eine Bedenkpause erbittet. Fühlst du dann noch die Verbindung?
  • Und auf welche Art und Weise schweigt dein Gegenüber?
  • Und wie ist das Schweigen mit dir selbst? Hältst du es gut aus, in Ruhe zu sein? Oder brauchst du immer ein Geräusch oder eine Ablenkung um dich herum, damit das Schweigen nicht zu laut wird?
  • Und wie benutzt du selbst das Schweigen? Bist du dir seiner Wirkung bewusst? Hast du auch schon einmal durch mein Schweigen verletzt? Oder jemanden durch deine laute Rede zum Schweigen gebracht?
  • Und was drückst du aus, dein Körper, dein Verhalten und deine Mimik, dein Atem, wenn du schweigst und was passiert dann auf der Beziehungsebene?
  • Wie kommunizierst du dann, mit Anderen und mit dir?

Wenn ein Schweigen für dich erzwungen oder schlicht „unhaltbar“ wird, ist es an der Zeit dich auf den Weg zu machen um zu erforschen, welche Form der Kommunikation dir und der Art wie du leben möchtest, gerecht wird.

 

Nun mag ich am Ende noch einmal das Zitat vom Anfang wiederholen:„Reden ist Silber und Schweigen ist Gold“.

Und ich mag uns einladen, einmal unsere Gedanken und unsere Gefühle diesbezüglich auszutauschen.

 

Ich wünsche Dir von Herzen Freude und wohltuende Erkenntnisse beim Forschen und freue mich über jede Rückmeldung, jeden Denkanstoß oder auch Frage.

Herzensgrüße Chris